Bei den Dreharbeiten zu ANDROMEDA


Vancouver, 3.4.2001

Zu den vielen phantastischen Serien, die in dieser Stadt gedreht werden, zählt u.a. ANDROMEDA, die neueste Schöpfung aus dem Nachlass von STAR TREK-Schöpfer Gene Roddenberry. Heute bin ich unterwegs mit Hannes Gräbner (RTL2) und einem von ihm engagierten Fernsehteam, das eine Dokumentation über die Serie vor Ort drehen soll. Als wir vor dem Studiogelände ankommen, vermute ich im ersten Moment, wir hätten uns verfahren, denn von außen wirkt alles wie eine Spedition: alles ist offen, etliche LKWs sind an Rampen angelehnt geparkt, und es gibt weder Absperrungen noch eine Torkontrolle. Auch im Inneren setzt sich bei den dort befindlichen Großraumbüros der Eindruck fort ... wenn sich da nicht an den Wänden gewisse Produktionszeichnungen, Skizzen und Promotion-Poster befunden hätten. Spätestens jetzt ist mir klar, daß ich mich am richtigen Ort befinde. Wir werden von der Publizistin Brigitte Prochaka begrüßt, die uns gleich zu den beiden riesigen länglichen Hallen führt, in denen sich die stehenden Sets befinden Ich hatte schon etliche Folgen der 1. Staffel gesehen und war recht neugierig darauf, wie die ANDROMEDA-Kulissen "in natura" ohne das ewig lügende Kameraauge auf mich wirken würden. Leider gab es jedoch nicht viel zu sehen, da die Brücke von einer Gruppe Handwerkern gerade demontiert wurde und es in den restlichen Schiffs-Kulissen so aussah, als ob dort gerade eine Schlacht stattgefunden hätte. In den Gängen lagen auch einige Alien-Leichen herum (wobei ich natürlich lebensgroße entsprechend hergerichtete Puppen meine!). Das einzige unversehrte Set ist die Krankenstation, und da sich nirgendwo Sitzgelegenheiten befinden, mache ich es mir kurzerhand auf dem (einzigen) Behandlungsbett bequem. Das bringt mir sofort die neidischen Blicke meiner Kollegen ein, die sich nicht trauen, sich an die Wände anzulehnen (sie könnten ja einstürzen). Ich schaue mir Designs und Einrichtungsgegenstände in Ruhe an: hier man sich bemüht, einen futuristischen, aber neutralen Look zu entwickeln, der selbst in einigen Jahren noch nicht veraltet wirken soll. Aus den Displays wird allerdings keiner von uns schlau. Auf den dummen Kommentar, "Du als SF-Experte müßtest eigentlich sofort wissen, ob das Gerät in der Ecke ein Flux-Kompensator oder ein Plasma-Umkehrer für den Hypo-Injektor ist", kann ich nur antworten "Ich bin Journalist und kein Doktor..." Wir müssen ein paar Minuten warten, da in der anderen Halle gerade gedreht wird und jedes überflüssige Geräusch stören würde. Bald aber öffnet sich die Verbindungstür und Kevin Sorbo (Dylan Hunt) kommt herein, um uns zu begrüßen. Zu meiner Überraschung werden wir mit einem herzlichen "Wie geht's?" in Deutsch angesprochen, und auf meine entsprechende Frage gibt mir Kevin zur Antwort, daß er vor seiner Herkules-Zeit ein Jahr in Deutschland als Modell gearbeitet hat. Auch Begriffe wie "Weißbier" und "Hofbräuhaus" waren ihm noch geläufig. Kevin ist gut gelaunt und erklärt uns einiges über den Hintergrund der Serie. Er trägt eine Art schwarzen Kampfanzug an, der mich irgendwie sehr an die Uniform des ROCKETEER aus dem gleichnamigen Film erinnert. Kevin muß gleich wieder zurück zum Drehen, verspricht uns aber, am Nachmittag für Aufnahmen zur Verfügung zu stehen.

Da gleich darauf die Mittagspause folgt, begebe ich mich in die Kantine, denn das bekannt gute Catering von Fernsehproduktionen möchte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Herumstehen macht schließlich auch hungrig. Kaum bin ich mit meiner Mahlzeit fertig, als Keith Hamilton Cobb (Tyr Anasazi) hereinkommt, sich ebenfalls bedient und sich zu mir setzt. Die Rolle des Nietzschianers Tyr hätte man wirklich nicht besser besetzen könne, denn Keith ist wirklich ein Riese, dem ich lieber nicht nachts auf der Straße begegnen würde. Er ist aber offensichtlich einer der freundlichen Sorte, denn schon nach der ersten Frage fängt er zu erzählen an und ist kaum zu bremsen. Nach ein paar Minuten weise ich ihn jedoch darauf hin, daß ich ihm zwar gerne zuhöre, aber er möge doch in Ruhe zu Ende essen, bevor seine Mahlzeit kalt wird. Als nächster in der Runde schließt sich Gordon Michael Woolvett (Seamus Harper) an, der in der Serie sowohl Ingenieur als auch den Computer-Genie der ANDROMEDA darstellt. Er ist wie wild am fluchen, und seine Arbeitskleidung ist zerfetzt und mit Blutspritzern übersäht. Außerdem sieht er so aus, als ob er gerade eine Begegnung mit üblen Schlägern hinter sich gebracht hätte. "Was hat man denn mit Dir gemacht? Hast Du Dich mit dem Produzenten angelegt?"-"Ach was ! In der letzten Folge der 1. Staffel kriegen wir ganz schön eins auf die Mütze, die ANDROMEDA wird zusammengeschossen und ich selbst werde schwer verwundet. Heute drehen wir in der 1. Folge der nächsten Staffel die Fortsetzung dazu, und ich habe den Eindruck, daß die Kostümabteilung meine verdreckten und verklebten Klamotten ungewaschen die gesamte Zeit lang in irgendeine Ecke gehängt hat. Jetzt miefe ich hier aus dem letzten Loch. Ich habe gerne Zeit für ein Interview, aber zuerst gehe ich duschen. Bis gleich!" Und weg ist er. Zwischen dem Schauspieler und seinem Charakter erscheint mir nach dieser kurzen ersten Begegnung kaum ein Unterschied...

Als letzte der Gruppe kommt schließlich Lexa Doig (die Verkörperung der ANDROMEDA) herein. In ihrem schwarzen Leder-Kampfoutfit erinnert sie mich an Emma Peel aus SCHIRM, CHARME UND MELONE, meinem absoluten Schwarm aus meinen Teeanger-Jahren, und so habe ich die nächsten Minuten etwas Probleme, mich auf meine Fragen zu konzentrieren. Besonders von ihren großen ausrucksvolleln Augen kann ich mich kaum losreißen. Wie ich später von Kevin Sorbo erfahre, bemüht sich Schauspielerkollege Michael Shanks (Daniel Jackson aus STARGATE SG-1) bereits mehre Monate um sie. Geschmack hat er, das kann ich nun höchstpersönlich bestätigen. Leider hat Lexa nur ein paar Minuten Zeit für ein Interview, denn das hätte ich gerne noch etwas ausgedehnt. Ihre Definition, ihr Charakter wäre "WINDOWS 20.0", hat mich aber sehr zum Lachen gebracht .Na, der "erste Kontakt" hat zumindest ganz gut geklappt...
Anschließend erhalten wir Zugang zur zweiten Halle, wo sich der Raumfrachter EUREKA MARU (den die ANDROMEDA als Beiboot mit sich führt) als imposantes Gesamt-Set über zwei Stockwerke Höhe befindet. Wirkten die ANDROMEDA-Kulisssen wie der Rolls Royce unter den Sternenschiffen der Zukunft, so hatte ich bei der MARU den Eindruck, in das Dampfmaschinen-Zeitalter der Raumfahrt zurückgeworfen zu sein. Stellenweise kommt es mir so vor, als hätte man einen Elektronik-Laden der 60er Jahre geplündert und dort eingebaut. Im Maschienenraum dampft es aus allen Ecken und Enden, aber das Ganze wirkte richtig "echt", weil alles aus massiven Metall besteht. Besonders die Details im Cockpit erstaunen mich. Da befindet sich z.B. mit einem Magneten an der Wand angebracht die Handelslizenz von Beka Valentine, aus einer Seitentasche schauen einige Altair-Dollar-Scheine heraus, und direkt über dem Hauptfenster ist eine Ansichtskarte eines fernen Planeten angepint. Mein Respekt an die Designer!

Gedreht wird heute eine Szene, in der die MARU mit Dylan Hunt und Ronnie (dem Robotkörper der ANDROMEDA) an Bord auf einem Eisplaneten landen muß. Die beiden rüsten sich mit ihren High-Guard Standardwaffen ("Force Lance" genannt) aus, um draußen auf Erkundung zu gehen. Während die Vorbereitungen laufen, habe ich Zeit, mir diese Waffen anzusehen. In den Folgen habe ich sie schon in Aktion gesehen. Diese Dinger sind (für die Experten unter den Fans) so eine Art Kreuzung zwischen den ausfahrbaren Kampfstäben der Minbari (aus BABYLON 5) und der Stabwaffe von Teal'c (aus STARGATE SG-1). Als ich mit einem Mitglied der Crew eine kurze Unterhaltung darüber führe, erhalte ich außer einem netten Lachen auch den Kommentar "wir klauen nur von den Besten"... Es wird eng in der Maru-Kulisse, denn nun wird nicht nur die Szene gedreht, sondern es hat sich auch unser Doku-Team hinzugesellt, die das reguläre Team beim filmen filmt. Ich halte mich im Hintergrund, kann aber das Geschehen gut verfolgen, denn ich erhalte einen kleinen Monitor in die Hand gedrückt, auf dem ich genau verfolgen kann, was die Hauptkamera sieht. Was es nicht alles gibt ! In einer kurzen Pause kommt Brent Stait in seiner Vollmaske als Referent Bem herein, um sich vom Doku-Team filmen zu lassen. Das Make-up ist sehr beeindruckend, und ich kann selbst beim näheren Hinschauen keinen Fehler entdecken. Als die Szene nach mehreren Versuchen im Kasten ist, hat Kevin Zeit für einige Aufnahmen des Doku-Teams. Auch soll er einige Sätze sagen wie "was geht ab? Schaut RTL2!" oder so ähnlich. Es dauert nicht lange, und sein Werbeslogan gleitet ins Alberne ab. Schließlich greift er sich seine "Force Lance" und spricht den klassichen Satz "May the Force be with you." Er wird jedoch gleich unterbrochen. "Das können wir nicht verwenden. Der Satz steht unter Copyright!" Kevin schaut etwas verwirrt, grinst dann und sagt "May the Force ... Lance be with you !" Darauf krümmt sich jeder vor Lachen.
Während in einer Ecke der Halle die nächste Szene in einer Höhlenkulisse vorbereitet wird verlassen bis auf mich alle Leute das MARU-Set.Ich nutze den unbemerkten Augenblick, während draußen alle beschäftigt sind, um mich ein paar Sekunden in den Pilotensitz der MARU zu setzen. Es mag sich nun vielleicht sehr albern anhören, aber auch wenn ich deutlich vor der Glasscheibe des Cockpits die Studiowände und die Scheinwerfer sehe, in diesem Moment ist es sehr leicht, sich vorzustellen, daß man in einem Raumschiff sitzt und es durch den Weltraum fliegt...
Kurz vor Ende unseres Besuchs gesellt sich Co-Executive Producer Robert Hewitt Wolfe zu uns. Im ersten Moment hätte ich ihn gar nicht erkannt, denn vom Auftreten gesehen hätte man ihn eher für den Pizza-Jungen halten können. Er ist ein wenig erstaunt darüber, daß ich den Wunsch geäußert hatte, speziell mit ihm ein Interview führen zu wollen, ist aber gerne dazu bereit. Wir begeben uns in sein Büro, wo wir ungestört sind, und aus dem "kurzen" geplanten Interview wird letztendlich fast eine Stunde (die Interviews werden in einer späteren Ausgabe erscheinen).

4.4.
Heute geht es zu den Außendreharbeiten für die Folge. Wie schnell man in Vancouver das Klima wechseln kann, erlebe ich nun selbst. Während in der Stadt gerade massiv der Frühling ausbricht, fahren wir gerade 20 Minuten mit dem Auto hoch zum Mount Sejmur, dem "Hausberg" von Vancouver. Dort ist noch das reinste Tiefschneegebiet. Auf dem Drehplan steht eine Action-Szene Action-Szene , in der Dylan Hunt und Tyr Anasazi durch den Schnee am Rande eines Waldes gejagt werden. Der riesige Parkplatz ist komplett vom üblichen LKW-Konvoy der Produktion belegt und die Straße gesperrt. Als besonderen Service hat man uns den offiziellen Photografen zur Verfügung gestellt, der von uns einige nette Photos als Andenken schießt.
Der benötigte Geländeabschnitt für die Szene wird sorgfältig mit kleinen Sprengstoffkapseln präpariert, und der Stunt-Koordinator zeigt Kevin Sorbo und Keith Hamilton Cobb genau, wo diese sich befinden und in welcher Reihenfolge sie explodieren.
Für diese Szene werden keine Stunt-Doubles eingesetzt, sondern die richtigen Schauspieler.
Um in die richtige Stimmung für die Action zu kommen, läßt ein Mitglied der Crew entsprechende Musik aus einem James Bond-Film laufen, was mit allgemeinem Gelächter quittiert wird. Kevin geht auch voll auf die Anspielung ein, stellt sich in typische Bond-Positur und sagt: "Mein Name ist Bond. Kevin Bond.
Bevor die Szene gedreht wird, werden Ohrstöpsel an alle verteilt, und ich frage mich, ob hier nun der halbe Berg in die Luft gejagt werden soll. Als dann die Kamera auf einer Schiene den Weg parallel zu den rennenden Schauspieler entlangfährt, sieht das von meinem Standpunkt betrachtet gar nicht so spektakulär aus. Die Explosionen verursachen auch weniger Krach als bei einer durchschnittlichen Silvester-Knallerei. Richtig aufgepeppt wird das alles später in der Nachbereitung, wo entsprechend eindrucksvolle Geräusche und ev. visuelle Effekte für die entsprechende Dramatik sorgen werden.
Die Szene muß insgesamt 5x gedreht werden, bis der Regisseur zufrieden ist. Mal ist eine Sprengkapsel nicht explodiert, mal rennen die Schauspieler zu schnell oder zu langsam. Es gibt unzählige Möglichkeiten, warum eine solch aufwendige Szene nicht gleich beim ersten Mal funktioniert. Während der Schnee neu gekehrt und präpariert wird, kommt Kevin zu mir für ein Interview herüber. Besonders anstrengend war das wohl nicht für ihn , denn er atmet kaum schneller. Als Hercules war bestimmt schon ganz andere Aktionen gewöhnt. Mit den jeweiligen Unterbrechungen reden wir gut eine Stunde miteinander.
Man läßt mich übrigens frei herumlaufen und bittet mich nur, nicht im Weg zu stehen. Den Verpflegungswagen finde ich seltsamerweise sofort, das ist vermutlich meine Erfahrung. Bald komme ich auch ins Gespräch mit der Waffenmeisterin. Dabei erfahre ich, daß es zwei Ausfertigungungen der Waffen gibt, zum einen die sehr leichte Version, die die Schauspieler bei Stunt-Szenen tragen (damit sie sich dabei nicht verletzten) und zum anderen die richtig schweren Teile, damit es richtig glaubwürdig aussieht. Die Zeit vergeht natürlich wieder viel zu schnell, und gegen 14 Uhr werde ich zum Flughafen gebracht.

Für die Einladung zu den Dreharbeiten und die freundliche Unterstützung möchte ich besonders Hannes Gräbner (RTL2) und Brigitte Prochaska (ANDROMEDA-PR) danken.